Café
DenkMal Philosophisches Café am 05. Mai 2023 Thema:
Zugehörigkeit und Identität
Identität, von
lateinisch idem = derselbe, dasselbe. In der Logik eine in der Regel durch >=<.
symbolisierte Beziehung, in der jeder Gegenstand zu sich selbst und nur zu sich
selbst steht. Den Grundsatz, dass jedes Individuum mit sich selbst identisch
ist, bezeichnet man als principium identitatis. Ferner setzt man allgemein
voraus, dass das Prinzip der Ununterscheidbarkeit des Identischen gilt, nach
dem einem Ding x dieselben Eigenschaften zukommen wie einem Ding y, wenn x und
y identisch sind. (nach Regenbogen, Meyer, Wörterbuch philosophischer Begriffe) Identität. Im
strengen Sinn die Gleichheit von Erscheinungen oder wenigstens das ihnen
Gemeinsame. Es muss stets klar sein, was mit was identisch ist. Im
Identitätserleben wird die Gleichheit von Gegenständen und Bewusstseinsinhalten
im Zeitverlauf konstatiert oder das Selbst des Subjekts in seiner Kontinuität
erfasst. Im übertragen Sinn Sympathie, Anteilnahme, Nachahmung bezüglich Person
oder Gruppe. (Arnold, Eysenck, Meili, Lexikon der Psychologie)
Identitätsphilosophie
ist die von Fr. W. J. Schelling in der Vorerinnerung zur Darstellung seines
Systems der Philosophie gebrauchter Ausdruck zur Bezeichnung einer Metaphysik,
in der Subjekt und Objekt, Denken und Sein, Geist und Stoff nur verschiedene
Seiten oder Erscheinungsformen einer einzigen Wirklichkeit und im Wesen
identisch sind oder in einem letzten Urgrund der Dinge, einem Unbedingten oder
Absoluten zusammenfallen. Diese Identitätsphilosophie sucht Schelling später
durch seine positive Philosophie zu ergänzen. (nach Regenbogen, Meyer,
Wörterbuch philosophischer Begriffe)
Nichts ist schwerer zu
bezeichnen als die Merkmale, die uns von der Identität einer Person überzeugen.
Jedermann kennt seinen Nachbar, und doch könnte man in den wenigsten Fällen den
Grund anführen, warum man in dem Manne seinen Nachbarn erkennt. (Edgar Allan
Poe)
Die Abhängigkeit des
Menschen von den Menschen besteht, und sie zwingt unsern Instinkt in soziale
Empfindungen. Sozial empfinden heißt somit, sich der Zugehörigkeit zur
Gemeinschaft der Menschen bewusst sein; sozial handeln heißt im Geiste der Gemeinschaft
wirken. (Erich Mühsam)
Kommt sie nicht aus der
Geburt, so muss der einzelne in die Gemeinschaft nach bestimmtem Zeremoniell
aufgenommen sein. Es soll dadurch die Person sozusagen mit Haut und Haaren,
existentiell, nicht nur auf Treu und Glauben, in die Bindung eines
überpersönlichen Lebens übergehen. …Alle zeremoniösen Veranstaltungen der
Einweihung und Aufnahme, alle Zeichen der Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft
bedeuten letztlich die Aufhebung der Intimsphäre der Person, wenn nicht
affektiv wie im Verband biologischer Blutsverwandtschaft, so doch geistig,
ideell und symbolisch. …Aber im Zugehörigkeitsgefühl ist Gemeinschaft noch
nicht beschlossen, es bedarf echter Liebe zwischen ihren Gliedern, um sie in
Wirklichkeit aufzubauen. Darum schließen sich echte Gemeinschaften stets um
eine verehrte Person, in der alle Liebesstrahlen am leichtesten vereint und
abstoßende Kräfte zwischen den Gliedern ausgeglichen werden. …In dem Maße aber,
als wir für andere zu sorgen haben, fangen wir an, nach dem Prinzip der größten
Sicherheit vorzugehen, weil die ewige Drohung des die anderen unverschuldet
treffenden Schadens über jeder Entscheidung schwebt. (Helmuth Plessner, Grenzen
der Gemeinschaft)
Café DenkMal
Philosophisches Café am 07. April 2023 Thema: Reife:
Initiationsriten als Stufen zum Erwachsensein Reife,
Zustand der Vollendung und Festigung der somatischen, psychischen und geistigen
Differenzierung und Integrierung, sowie das Bereitsein zur Erfüllung der dem
einzelnen Menschen gestellten Aufgaben und zur Bewältigung der
Lebensanforderungen. Das Erreichen bestimmter Reifegrade wurde von den Menschen
aller bisher bekannten Kulturen stets besonders gekennzeichnet (Ritterschlag,
Mensur, Firmung, Konfirmation etc.). Soziale Organismen haben auf Grund von
Erfahrungen immer bestimmte Reifegrade mit festen Lebensaltern verbunden, zum
Teil jedoch auch willkürlich festgelegt. Bei der menschlichen Entwicklung
müssen autonome Reifungen und exogene Erziehung beziehungsweise Lernvorgänge
harmonisch ineinanderwirken. (nach Arnold, Eysenck, Meili, Lexikon der
Psychologie)
Initiationsriten, in der Ethnologie werden damit Riten bezeichnet, durch die die
Aufnahme der Jugend in die Gemeinschaft der Erwachsenen vollzogen wird.
Initiationsriten betonen die Zäsur zwischen Kindheit und Erwachsenenperiode und
schaffen zugleich den Übergang. Die Initiationsriten sollen den Initianten von
der bisherigen Lebenssphäre lösen und in die neue Sphäre einführen. Die
Vermittlung von Sachwissen und bestimmten Fertigkeiten, Mut- und
Selbstbeherrschungsproben dienen dazu, den jugendlichen Stammesgenossen auf
seine Eignung für den Erwachsenenstatus zu prüfen und ihn zugleich auf die
damit verbundenen Rechte und Pflichten vorzubereiten. (nach Arnold, Eysenck, Meili,
Lexikon der Psychologie)
Erwachsenheit.
Diese Haltung bedeutet, manche Unannehmlichkeiten oder Übel ebenso als
notwendige Begleiterscheinungen des Lebens zu erkennen wie die eigenen Möglichkeiten,
sie zu ertragen oder zu überwinden. (Robert Pfaller)
Erwachsenheit
im Sprechen bedeutet zunächst, solche Doppelbödigkeiten wahrnehmen zu können;
nicht kindlich auf dem (gut) Gemeinten zu beharren, sondern Abstand zu sich zu
gewinnen und das, was andere tatsächlich verstanden haben, ebenso zu
berücksichtigen wie auch das, was Erwachsene hätten verstehen können. (Robert
Pfaller)
Denn Gleichheit setzt Erwachsenheit voraus: die Fähigkeit, vom Privaten
und Persönlichen abzusehen und nur das öffentlich Relevante zu behandeln.
Dagegen ist die Unterwerfung des öffentlichen Raumes unter die Kriterien
persönlicher Empfindlichkeit – die Fähigkeit, sich verletzt zu fühlen, und den
Zwang, dies sofort kundzutun – die stärkste Ressource zum Abbau von
bürgerlicher Teilhabe und Politikfähigkeit. (Robert Pfaller)
Reife ist, wenn man das
Vollkommene nicht im Ungewöhnlichen, sondern im Alltäglichen sucht. (Hugo von
Hofmannsthal)
Reife des Mannes: das
heißt den Ernst wiedergefunden haben, den man als Kind hatte, beim Spiel.
(Friedrich Nietzsche)
Wenn man die Geschichte
nicht kennt, bleibt man auf immer ein Kind, das nie erwachsen wird! (Cicero)
Café DenkMal!Philosophisches Café am 03. März 2023 Thema: Führen und Geführtwerden Führer ist
die im Laufe der Gruppenbildung differenzierte Rolle, die mit Erwartungen der
Leitung, Kontrolle und Modifikation der Aktivitäten der übrigen
Gruppenmitglieder in Richtung auf das Erreichen der Gruppenziele verknüpft ist.
Versuche, ein überdauerndes Syndrom von Persönlichkeitsmerkmalen zu finden, das
den Führer oder Leiter unabhängig von den Charakteristika der Geführten
beschreiben soll, schlugen fehl. Attribute für Gruppen-Führer sind jene, die es
einer Person in einer bestimmten Situation möglich machen, in besonderem Maße
zur Zufriedenheit der Gruppenmitglieder und zum Erreichen des gemeinsamen Ziels
der Gruppe beizutragen. Allgemein ist festzustellen, dass der Rang eines Individuums
innerhalb der Gruppe umso höher ist, je mehr sich dieses Individuum mit den
Normen und Zielen dieser Gruppe identifiziert. (nach Arnold, Eysenck, Meili,
Lexikon der Psychologie)
Macht
bedeutet in den Sozialwissenschaften eine Über- oder Unterordnung zwischen
Personen, Gruppen, Staaten oder Organisationen. Im Unterschied zur Autorität
oder Herrschaft ist Macht nicht auf die Anerkennung der von ihr Betroffenen
angewiesen. In der Soziologie ist Macht im engeren Sinne die Bezeichnung für
ein soziales Verhalten oder einen Status, in dem bestimmte Personen die Chance
haben, „innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen
Widerstreben durchzusetzen“ (M. Weber). Während Herrschaft in einer
Machtbeziehung ausschließlich den zur Entscheidung Befugten zusteht, kann Macht
auch von den in einem Abhängigkeitsverhältnis Unterlegenen wahrgenommen werden
(z. B. Streik, Gehorsamsverweigerung, etc.). (nach Regenbogen, Meyer,
Wörterbuch der philosophischen Begriffe)
Gehorsam ist
das Sicheinfügen des Willens in den gebietenden Willen einer Autorität. Der
Gehorsame schließt sich der Entscheidung des autoritativen Willens an,
verzichtet auf eine eigene hinsichtlich des Inhalts und verwirklicht jenen in
seiner Tat. Sein Willensakt gleicht sich der Autorität derart an, dass das
autoritativ Bestimmte freiwillig übernommen und zum initiativen
Bewegungsprinzip für den gehorchenden Willen wird, der so das zu Ende führt,
was der autoritative Wille begonnen hat. Der Inhalt des Gebotes kommt an sich
aus der Vernunft, die auf das Zielgut, das Gemeinwohl, hinordnet und dadurch
gesetzgebend wird. Ziel des Gehorsams ist es, den Gehorchenden dem
autoritativen Willen so anzugleichen, dass er gewinnt, was er aus sich nicht
hat, nämlich den Anteil an der Autorität, die das Singuläre im Hinblick auf das
Ganze zu gestalten hat. Danach bestimmt sich auch die Grenze des Gehorsams.
Soweit die Autorität Konkretes ordnet im Hinblick auf das Gemeinwohl, so weit
reicht ihre legitime Vollmacht zum Befehlen. Maßt sie sich etwas anderes an,
dann wird der Gehorsam zur unsittlichen Knechtschaft, denn der Gehorchende
bleibt ex iustitia legali dem Gemeinwohl verpflichtet und hat dann um
dessentwillen das Ansinnen auf Gehorsam zurückzuweisen. (nach LThK)
So kannst du einsehn, dass nur schlechte Führung der
Grund ist, der die Welt verkommen lässt, und nicht Entartung euerer Natur
(Dante)
Der Pöbel! – der Führer ist’s, der sie zu Rittern macht.
Nimm ihm den Führer, und er wird, was er war. (Richard Wagner)
Schrecklich ist die Volksmasse, wenn sie schlimme Führer
hat. (Euripides)
Es ist niemals in der Welt so gekommen, wie die Propheten
und Führer meinten und wollten; aber ohne die Propheten und Führer wäre es
überhaupt nicht >gekommen<.. (Georg Simmel)
Ich muss ihnen folgen, ich bin ihr Führer. (Alexandre
Auguste Ledru-Rollin)
Das sind die besten Führer, von denen – wenn sie ihre
Aufgabe vollendet haben – alle Menschen sagen: „Wir haben es selbst getan.“
(Laotse)
Ein Hauptzug aller Pädagogik: unbemerkt führen.
(Christian Morgenstern)
Café DenkMal!Philosophisches Café am 03. Februar 2023 Thema: Verlust, Veränderung oder Gewinn
Der unbekannte Verlust ist überhaupt kein Verlust.
(Seneca)
Einerseits schließt der Verlust den Gewinn mit ein;
andererseits schließt der Gewinn den Verlust mit ein. (Laotse)
Der Gewinn anderer wird fast wie ein eigener Verlust
empfunden. (Wilhelm Busch)
Die Erkenntnis wird nur durch den Verlust der Unschuld
des Lebens erkauft. (Ludwig Feuerbach)
Jeder Verlust ist für ein Glück zu achten, der höhere
Gewinne zuwege bringt. (Jacob Grimm)
Bei dem größten Verlust müssen wir uns sogleich
umherschauen, was uns zu erhalten und zu leisten übrig bleibt. (Johann Wolfgang
von Goethe)
Eine Illusion verlieren, heißt um eine Wahrheit reicher
zu werden. Doch wer den Verlust beklagt, ist auch des Gewinnes nicht wert
gewesen. (Arthur Schnitzler)
Gelassenheit im Verzicht ist eine Vorübung im Schenken
und Mitteilen. Wer sich vor einem Verlust nicht fürchtet, der ist auch nicht
verdrießlich beim Geben. (Tertullian)
Es gibt Verluste, welche der Seele eine Erhabenheit
mitteilen, bei der sie sich des Jammerns enthält und sich wie unter hohen
schwarzen Zypressen schweigend ergeht. (Friedrich Nietzsche)
Alles ist von Natur zur Umwandlung, zur Veränderung und
zum Untergang bestimmt, damit anderes an seine Stelle rücke. (Marc Aurel)
Für Wunder muss man beten, für Veränderungen muss man
arbeiten. (Thomas von Aquin)
Durch Veränderungen formt sich ein starker Charakter, ein
schwacher durch die Stabilität. (Jean Paul)
Gewinn macht den Menschen mutig. (William Shakespeare)
Gewinn, der Ehre kostet, ist Verlust. (Publilius Syrus)
Der größte Gewinn kommt aus den schwierigsten
Lebensabschnitten. (Dalai Lama)
Dem, der alles zu verlieren vermag, wird alles Gewinn.
(Stefan Zweig)
Große Männer nennen Schande das Verlieren, nicht aber den
Gewinn durch Trug. (Niccoló Machiavelli)
Der Augenblick, welcher dem Menschen seinen Gewinn zeigt,
lehrt ihn auch seinen Verlust am deutlichsten erkennen. (Wilhelm Raabe)
Café DenkMal!Philosophisches Café am 06. Januar 2023 Thema: Schauspiel: Spiel und Erwachsensein
Tragisch, wenn das Leben zum
Schauspiel verkümmert. (Raymond Walden)
Wir bieten, einer dem anderen,
ein genügend interessantes Schauspiel. (Epikur von Samos)
Im Herzen der Menschen lebt das
Schauspiel der Natur, um es zu sehen, muss man es fühlen. (Jean-Jacques
Rousseau)
Selbst das eigene Leben ist nur
ein Schauspiel. Jeder muss seine Rolle gut spielen, gleichgültig, was für eine
es ist. (Francisco de Quevedo)
Bist du echt? oder nur ein
Schauspieler? ein Vertreter? oder das Vertretene selbst? – Zuletzt bist du gar
bloß ein nachgemachter Schauspieler… (Friedrich Nietzsche)
Der Blick der Menschheit war
bisher zu stumpft, zu erkennen, dass die mächtigsten Menschen große
Schauspieler waren. (Friedrich Nietzsche)
Auf der Bühne darf der
Schauspieler vergessen, dass er Zuschauer hat, in der Welt nicht. (Johann Jakob
Mohr)
Wie die Schauspieler eine Maske
aufsetzen, damit auf ihrer Stirne nicht die Scham erscheine, so betrete ich das
Theater der Welt – maskiert. (René Descartes)
b die Begegnungen durch Rituale
zusammengehalten werden oder nicht, sie dienen als Kommunikationsbasis für ein
zirkuläres Fließen des Gefühls zwischen den Teilnehmern, genauso wie als
korrigierende Kompensation für abweichendes Verhalten. (Erving Goffmann)
Ein Berufsschauspieler
unterscheidet sich von einem Kind in dem Grad der Ausdauer und Vollkommenheit,
die er in der nachgeahmten Rolle zeigen muss. Berufsschauspieler und Kind sind
sich jedoch darin ähnlich, dass sie sich nicht übermäßig bemühen, irgendein
Publikum davon zu überzeugen, dass Darsteller und dargestellter Charakter ein
und dasselbe sind, und dass sie beide gleich verlegen sind, falls diese
fälschliche Annahme auftritt. (Erving Goffmann)
Es scheint, dass in Spielen und
ähnlichen Tätigkeiten Markierungen vorgesehen werden müssen, die den Zustrom
sozial bedeutsamer Dinge in die Begegnung bremsen, aber nicht verhindern.
(Erving Goffmann)
Spielen ist eine Handlung, die
sich selbst belohnt. (Norbert Bolz)
Die Welt des Spiels ist so stark
begrenzt, dass man sie eigentlich nur von innen wahrnehmen kann. (Norbert Bolz)
Alle Spiele drehen sich um diese
Freude an der erfolgreichen Handlung. (Norbert Bolz)
An die Stelle von Verständigung
tritt die Richtigkeit des Vollzugs. (Norbert Bolz)
Denn wie in der Liebe werde ich
im Spiel gerade durch Bindung frei. (Norbert Bolz)
Narzissten wünschen sich immer
eine gute Rolle, anstatt dem Hinweis des Stoikers Epiktet zu folgen, wonach es
vielmehr darauf ankommt, sie gut zu spielen. (Robert Pfaller)
Literatur: Norbert Bolz. Wer nicht spielt, ist krank. Erving Goffmann. Interaktion: Spaß am Spiel /
Rollendistanz. Robert Pfaller. Erwachsenensprache.